Mittwoch, Dezember 27, 2006

abschließende Zusammenfassung

Absolvierung des Chirurgietertials des Praktischen Jahres
am Kenyatta National Hospitals im Rahmen meines Medizinstudiums


Das Kenyatta National Hospital (KNH) ist mit der Gründung in 1901 das älteste Krankenhaus Kenias (http://www.health.go.ke/knh.htm). Heute fasst es mit seinen 8 Stationsstockwerken mit jeweils vier Stationen a 60 bis 80 Betten ca. 1800 Betten, wobei die Patientenzahl beliebig nach oben gesteigert werden kann, durch z.B. die gleichzeitige doppelte Verwendung eines Bettes. Im Vergleich zu den Normalbetten gibt es allerdings nur 22 Intensivbetten. Als Krankenhaus mit europäischem Standard müssten bei der Bettenzahl 100 Intensivbetten zur Verfügung stehen. Diese Zahlen machen den Unterschied zu den privaten Krankenhäusern in der Stadt Nairobi deutlich, die vergleichbar ausgestattet sind wie europäische Krankenhäuser.

Dadurch, dass das KNH öffentlich ist und nicht privat, kommt auch nur ein bestimmtes Patientenklientel hier zur Behandlung. Es sind meist Menschen aus der ärmeren Bevölkerungsschicht ohne Krankenversicherung. Das KNH ist das Referenzkrankenhaus in Kenia, die letzte Anlaufstelle bei komplizierten Fällen. Es gibt ein Computertomogramm von 1993, Röntgengeräte und auch Ultraschallgeräte doch die Kosten für die Untersuchungen müssen die Patienten selbst tragen. Der Arzt ordnet eine Untersuchung an, anschließend sammeln die Verwandten Geld. Es vergeht Zeit. Das Geld kommt evtl. zusammen. Die Wartezeiten für den Arzt, für die Kasse und wieder für den Arzt summieren sich, der Zustand des Patienten verschlimmert sich. Diese Schilderungen zeigen ein großes Manko auf. Ohne Krankenversicherung ist in einem Land ohne Geld die Hilfe sehr schwierig und kommt verspätet an. Doch auch im KNH gibt es einen privaten Flügel, in dem Patienten eine schnelle und gute Versorgung erfahren. Meist nur für diese wenigen Patienten mit Versicherung stehen die wenigen Intensivbetten zur Verfügung. Diese hochwertige Intensivmedizin kann sich kaum jemand leisten, wenn er aus eigener Tasche bezahlen muss.

Vom 21.8. bis 8.12.2006 bin ich in den unterschiedlichen Einheiten der chirurgischen Abteilung des Kenyatta National Hospitals in Nairobi rotiert und habe dort gearbeitet, vergleichbar wie die kenianischen MedizinstudentInnen im letzten Jahr ihrer Ausbildung. Zu Beginn meines Aufenthalts nahm ich an den Visiten auf einer allgemeinchirurgischen Station teil und assistierte bei unterschiedlichen Operationen und bekam so auch einen Einblick in die organisatorischen Abläufe in diesem größten und auch öffentlichen Krankenhaus Kenias. Im OP war vieles mit Warten verbunden. Einmal fehlte der Anästhesist, das nächste Mal der Operateur und das in einem Operationssaal für Notfälle. Es gibt immer Listen für geplante Eingriffe und Listen für Notfalleingriffe. Da für die Notfalleingriffe nur zwei Operationssäle zur Verfügung stehen, müssen die einzelnen Abteilungen sich die Säle teilen. Wer zuerst seine OP-Liste abgibt, operiert meist auch zuerst (es sei denn es sind wirklich ganz akute Notfälle). Wenn nun also wegen fehlender Abstimmung zwischen dem Personal der OP für zwei Stunden leer steht, kann es für alle Patienten, die an diesem Tag dringend eine OP benötigen, zum Verhängnis werden.

An die Arbeit auf der allgemeinchirurgischen Abteilung schlossen sich einige Wochen auf der Neurochirurgie, in der Ambulanz und auf Intensivstation an.

In der Neurochirurgie bekam ich die Möglichkeit Teile von Operationen unter Anleitung selbst durchzuführen. Auf Station habe ich vergeblich versucht, die Patientenakten im Aktenschrank zu sortieren. Um eine bestimmte Akte zu finden, bedarf es weiterhin der kompletten Durchsicht des Schranks, da keine Sortierung vorliegt. Ich hatte versucht mit Schildern darauf hinzuwirken, dass Akten eines Zimmers immer nur in einem Bereich des Schranks abgelegt werden. Trotz Abstimmung mit dem Personal und Befürwortung des Personals war die Sortierung am nächsten Tag wieder aufgehoben. Auch andere Dinge außer den Akten waren erschwert aufzufinden und verlangsamten so die einfachsten Prozesse im Alltag eines Mediziners.

In der Ambulanz konnte ich viele Erfahrungen sammeln, indem ich viele Fälle gesehen habe. Neben der Begleitung von Ärzten konnte ich auch selbst Befragungen in Englisch und Suaheli durchführen und anschließend der Ärztin oder dem Arzt vorstellen.

Auf Intensivstation bekam ich die Möglichkeit, praktische Fähigkeit beim Anlegen z.B. von zentralen Venenkathetern zu erlernen.

Zusammenfassend kann ich sagen, dass ich während des Aufenthaltes einige Erfahrungen gesammelt habe, die ich in dieser Art und Weise nicht in Deutschland erfahren hätte. Alleine die unterschiedliche Herangehensweise im Krankenhaus aufgrund einer anderen Kultur hat mir die deutsche Kultur deutlich gemacht und auch näher gebracht. Schwer fällt es mir, diese andere Kultur in der Medizin zu akzeptieren, da sie z.T. auf Kosten der Patienten geht.

Bei der Frage, was ich wie verändern würde: Im Moment kann ich noch nicht sehen, an welcher Stelle ich im Kenyatta National Hospital zu einer Verbesserung des Status quo beitragen könnte. Unterstützenswert würde ich die Idee finden, Krankenversicherungen in Kenia zu etablieren, auch wenn dies die wirtschaftliche Lage der meisten Menschen nach wie vor nicht zulässt.

Samstag, Dezember 02, 2006

auf nach Lamu...

Über ein Wochenende habe ich mich mit Marlies nach Lamu aufgemacht, einer kleinen Insel im Indischen Ozean, auf der keine Autos erlaubt sind bzw. auf der sie auch keinen Platz hätten und deswegen noch immer Esel das wichtigste Transportmittel sind.
Der Bus über Nacht Richtung Mombasa war noch in Ordnung. Die Straßen waren zumindest teilweise annähernd asphaltiert und eine Mitnahme erforderte einen freien Sitzplatz. Ganz anders die Fahrt von Mombasa zur Fähre. Nach fünfminütigem Aufenthalt in Mombasa hatten wir glücklicherweise zwei Bustickets bei einer uns unbekannten Busgesellschaft ergattert und sind sozusagen dem fahrenden Bus aufgesprungen. Anfangs war alles in Ordnung nur nach ca. drei Stunden – als wir in abgelegenen Regionen zum einzigen Verkehrsmittel wurden – wurde trotz regelmäßiger Polizeikontrollen auch der Gang vom Bus mit Passagieren gefüllt. Immer mehr, immer enger und immer kuriosere Gepäckstücke. Highlight dieser Fahrt waren drei Plastikschüsseln jeweils mit ca. sechs Hühnern voll gestopft. Selbst einheimische Mitfahrer schreckten auf, als sich ein Huhn entschied auszubüchsen.
Die Straße war schlecht vor allem wegen des vielen Regens zurzeit. Rote Schlammpiste, 8 Stunden lang…
Nach insgesamt 20 Stunden ermüdender Fahrt sind wir endlich auf einer Personenfähre Richtung Lamu gelandet. Wir wunderten uns, dass wir die einzigen Weißen/Wazungu auf der Fähre waren. An diesem Wochenende sollte nämlich das Kulturfestival auf Lamu stattfinden.



Angekommen ohne gebuchtes Hotelzimmer fanden wir nach einiger Zeit ein wunderschönes Hotel mit einem Swimming Pool im Innenhof und mehreren Häusern und Terrassen, die nur über viele verwinkelte Treppen zu erreichen waren. Nachdem noch der Preis um 70% reduziert werden konnte, war alles perfekt.

Kultur auf Lamu


Schnell konnten wir feststellen, dass das Festival nicht für die reichen Wazungu (Weißen) veranstaltet wurde, sondern, dass es vor allem für die einheimischen Inselbewohner ein jährliches Ereignis ist. So waren auch nur vereinzelt Weiße zu erblicken. Das Programm wurde geprägt von Rennen: Eselrennen, Segelbootrennen, … und einem Schwimmwettbewerb. Beim Eselrennen war die Szenerie dicht gedrängt und einige Jungen machten sich die nahe liegenden Bäume als guten Aussichtspunkt zunutze.
Hier bereiten sich die Mitstreiter auf den Start vor.

Auch der deutsche Botschafter von Kenia ist mit dabei. Er fällt durch seine etwas längeren Haare auf. Seine Aufgabe war es an diesem Wochenende Kunstschätze, die in einem Museum in Bamberg ausgestellt wurden, an den Ursprungsort Lamu zurückzugeben.
Das Rennen geht in die letzte Runde. Weit hinten zu sitzen scheint von Vorteil zu sein.


Beim Betrachten der Zuschauer fällt ein großer Unterschied zu den Leuten in Nairobi auf. So sind die Menschen in Nairobi meist schlicht westlich gekleidet, wohingegen hier wie auf dem Land die landestypischen Tücher getragen werden. Doch auch der Einfluss durch die arabische Welt wird deutlich. Viele ganz in schwarz gekleidete Frauen prägen das Bild. Die führende Religion auf Lamu ist der Islam. Ein ständiges Zusammentreffen von Kulturen…

Am Rande wird mit einem Schild auf die Gefahr von AIDS (Ukimwi) hingewiesen:
Im Anschluss findet das Rennen mit den traditionellen Segelbooten (Dhau) statt. Auch hier drängen sich die Zuschauer und kämpfen um jeden Zentimeter.
Die Dhaus sind mit allen möglichen Flaggen beschmückt. So war auch eine deutsche Flagge darunter.

Abends wurde der kulturelle Tag mit Tanz und Musik in herrlicher Atmosphäre auf dem großen Marktplatz abgeschlossen. Tagsüber spenden zwei riesige Bäume platzerfüllenden Schatten.

Es war brechend voll, doch wir konnten sogar noch einen Sitzplatz ergattern. Mitten in der Menge fanden sich Leute zusammen und tanzten und erfreuten sich des Lebens. Gleich an mehreren Stellen auf dem Platz wurden Tänze aufgeführt. Jeder konnte mitmachen. Es war eine phänomenale sinnbetörende Kulisse.

In den schmalen Gassen konnte man sich für wenig Geld mit leckeren Spießchen, Kartoffeln und Pommes – auf offenem Feuer zubereitet – sättigen.

Schnorcheln am Korallenriff

Von vielen Männern wurden wir während des Festes angesprochen. Sie versuchten uns als Mitfahrer für eine Trip zu gewinnen: Snorkeling, Swimming at the Beach and Lunch…
Nach einigem Handeln hatten wir uns entschlossen, am nächsten Tag mitzufahren. Wir fuhren mit einer mit Motor und Segel ausgerüsteten Dhau zum relativ weit entfernten Korallenriff. Wegen der sengenden Sonne vermummten wir uns von Kopf bis Fuß, so dass wir den heißen und langen Tag auf dem Boot tatsächlich ohne Sonnenbrand überstanden. Beim Schnorcheln erschreckte uns der Anblick vom Riff. So viele abgebrochene tote Korallen lagen herum und bedeckten weite Teile des Riffs. Nur vereinzelt waren lebende Korallen zu sehen und wunderschöne bunte Fische, Seeigel und ein großer farbig gemusterter Seestern. Anschließend erholten wir uns an einem Strand in der Nähe und währenddessen wurde auf dem Schiff für uns ein Mittagessen vorbereitet. Erst wurde geangelt und dann wurden die frischen Fische wohlschmeckend zubereitet.

...kritisch anzumerken...

An der Strandpromenade gab es noch einige bemerkenswerte Orte:

Telefonfriedhof auf LamuVor der Post standen zahlreiche Telefonhäuschen, allerdings nur drei im Betrieb. Die anderen lagerten auf der Grasfläche davor mit heraushängenden Kabeln. Eine hatte sich sogar hingelegt und animierte uns zu diesem Foto.
In ganz Kenia gibt es kaum noch Bedarf für Telefonzellen – wie in Deutschland, da auch hier die Leute immer mehr Handys besitzen (absolutes Statussymbol) und manchmal auch Geld haben, um es zu benutzen. Doch mit 5 Cent für eine SMS kann man relativ günstig kommunizieren und wenn das eigene Handy auch noch GPRS hat – also ins Internet gehen kann, dann kann man selbst in den abgelegensten Orten im Internet surfen für wenig Geld (1 MB = 12 Cent), selbst in Orten, wo es keine eigene Stromversorgung gibt.
Fast überall gibt es Handynetz. Vom Hörensagen weiß ich, dass sie die Stärke der Sendemaste einfach höher als in Deutschland drehen, um die Reichweite der einzelnen Masten zu erhöhen und so mit weniger Masten eine höhere Netzabdeckung zu erreichen. Grenzwerte wie in Deutschland gibt es hier wohl nicht.

Dieselkraftwerk auf LamuVon weitem hört man den Lärm. Ein dreckiges Gebäude beherbergt Generatoren zur Stromerzeugung. Auf dem Gelände vor dem Haus lagern rostende Fässer in Pfützen undefinierbarer Flüssigkeit. Von einem Transformator führen Stromleitungen auf die Insel. Der Weg, der zwischen Haus und Hafen entlang läuft, ist schwarz verfärbt. Ist es Öl oder Diesel? Auf dieser sonnigen und windigen Küsteninsel wird noch immer auf „die guten alten Rohstoffe“ zurückgegriffen.
Später zurück in Nairobi fällt uns eine Hochglanzbroschüre des kenianischen teilprivatisierten Stromkonzerns KenGen in die Hand. Es werden Fotos u.a. von zwei Windrädern gezeigt, die einzigen, die zu dem Konzern gehören (Ngong). Bei den Dieselkraftwerken wird neben Garissa auch Lamu aufgeführt. Leider ohne Abbildung, oder hat es eine bessere Wirkung auf die Geld gebenden Aktionäre, ein Windrad zu zeigen im Gegensatz zu diesem hübschen umweltverschmutzenden Dieselkraftwerk? Es wird aufgeführt, dass 60 MWh pro Jahr in Lamu erzeugt werden. Ein Betrag, der mit ein paar Windrädern gut zu schaffen wäre.

...und zurück


Nach der etwas anstrengenden Hinfahrt nach Lamu hatten wir uns entschlossen, die luxuriösere Variante für den Rückweg zu wählen: Das Flugzeug. In zwei Stunden in Nairobi im Vergleich zu zwanzig mit dem Bus hat schon was.
Mit der Fähre sind wir auf die Nachbarinsel gefahren, wo sich der Flughafen für Lamu befindet. Viel mehr ist dort nicht. Am Flughafen angekommen, suchten wir die richtige Strohdach von unserer Fluggesellschaft. Erst wurde unser Gepäck manuell durchsucht und anschließend an einer Hakenwaage gewogen. An einem Tisch im Sand wurde unser Ticket gecheckt und per Hand unser Name auf der Passagierliste abgehakt. Wir nahmen unter dem etwas größeren Strohdach Platz und warteten auf den Abflug der einzigen Maschine dieser Fluggesellschaft an diesem Tag. Es fliegen noch zwei andere Fluggesellschaften täglich eine Maschine. Nach einiger Zeit rief uns der Mann vom Tisch zu, dass das Flugzeug jetzt startklar sei und wir machten uns zu Fuß mit einigen anderen Passagieren auf zur 14sitzigen Propellermaschine. An der Eingangstreppe wurde jedem eine kleine Snacktüte angereicht und nach einem kurzen Hallo aus dem Cockpit, konnte es losgehen.
Was bleibt einem sonst noch Schönes von Lamu in Erinnerung? Das Essen. Sicher nicht der Hummer, der etwas merkwürdig geschmeckt hat und vielleicht auch nicht gut zubereitet war. Dahingegen war doch unser Frühstück eine Delikatesse, geprägt von großen Humpen mit frisch gepressten Fruchtsäften nach eigener Kreation. Die Kombination Mango, Maracuja und Banane wird mir wohl immer in Erinnerung bleiben.
Beeindruckend waren auch die kleinen Fleischspieße mit jeweils vier Stücken Fleisch, die man an kleinen Ständen in den Gassen für jeweils umgerechnet 10 Cent selbst gar grillen konnte. Als Beilage noch frittierte Pommes und wir waren satt und zufrieden und das fuer je 60 Cent.