Mittwoch, November 22, 2006

Marathon

An diesem Eintrag wird deutlich, dass ich immer etwas Zeit brauche, um das Geschehene niederzuschreiben. Und zwar geht es heute um den Nairobi Marathon am 29.10.2006.

Jedes Jahr um diese Zeit findet in Nairobi ein Marathon statt. Es wird nicht nur Marathon gelaufen (42km), sondern auch Halbmarathon (21km) und ein sehr begehrter 10km-Lauf. Es sollen sich insgesamt ca. 15000 Läufer angemeldet haben. Ich habe mich für umgerechnet 3 Euro für den Halbmarathon angemeldet. Im Preis enthalten waren ein Trikot und eine Medaille und Urkunde, falls man im Ziel ankommt. Die Zeitmessung wurde mit modernen Chips am Fuß des Läufers gemessen.

Ich bin morgens um 5 Uhr aufgestanden und bin nach kohlenhydratreichem Frühstück im Sonnenaufgang zum Stadion gelaufen. Eine halbe Stunde, beste Einlaufmöglichkeit. Viele Läufer mussten sich meinem Lauf anschließen, weil die Straßen rundherum weiträumig gesperrt waren und die vielen Matatus hier nicht weiterkamen. Einige Läufer sind auch zu spät angekommen und mussten dem Feld hinterherlaufen. Ich gehörte glücklicherweise zu denen, die rechtzeitig da waren und in riesengroßen Zelten die Möglichkeit bekamen, ihr Gepäck unterzubringen. Das Gepäck wurde in gelben Plastiktüten verstaut und mit der Startnummer gekennzeichnet und anschließend unsortiert irgendwie in das Zelt gelegt. Ich bekam Zweifel, ob ich nach dem Lauf ohne großen Aufwand meinen Rucksack wiederbekommen würde und fragte nach, ob sie es nicht sortieren wollten. Beruhigenderweise wollten sie es während des Laufs dann noch sortieren.

Rund um das Stadion waren wahnsinnig viele Menschen. An den Startnummern erkannte man, welchen Lauf sie antreten werden. Einige hatten auf ihrer Startnummer einen Sticker. Dieser kennzeichnete die Profis, die bereits Spitzenzeiten auf diesen Strecken gelaufen sind. Viele unterschiedliche Nationalitäten waren vertreten. Mexikaner, Chinesen, Europäer…

Bei der Anmeldung musste man eine Zeit für die Strecke angeben. Einige etwas korpulentere Kenianer liefen auch mit diesem Sticker rum. Dies ließ mich vermuten, dass sie sich bei der Angabe ihrer eigenen Zeit evtl. etwas vertan hatten. J

Vor dem Lauf die üblichen Probleme: Trink ich noch etwas, soll ich mich noch warmlaufen, hab ich noch genug Zeit zum Dehnen? Wann geh ich das letzte Mal aufs Klo? Beim Einlaufen liefen Fotografen herum, die Fotos von den Läufern machten und im Anschluss an den Lauf zum Verkauf angeboten haben. Ein kenianischer Läufer wollte sich mit mir ablichten lassen. Kein Problem. Ein Foto mit einem Weißen ist hier noch immer etwas Besonderes.

Nach drei Toilettengängen und einer leeren Wasserflasche war ich bereit. Eine Absperrung trennte die Profis vom Rest. Nun wurde die Absperrung aufgehoben und eine riesige Menschenmenge näherte und bedrängte schließlich die Profis so sehr, dass sie sich notgedrungen an den Rand zurückzogen. Der Start wurde durch ein mit Luft aufgeblasenem Tor gekennzeichnet. 7.50h: Der Startschuss fällt und es beginnt ein ständiges Gepiepe. Man läuft über eine Schwelle, die jeden einzelnen Chip am Schuh mit einem Piep signalisiert. Das Gedränge ist groß, so groß, dass sich das Tor entscheidet, nicht mehr aufrecht zu stehen, sondern sich auf die Häupter der Läufer senkt. Mit erhobenen Armen passiere ich nun den Start, um mir den Weg durch das Tor zu bahnen. Geschafft. 21km laufen. Meine Premiere für diese Entfernung. Vor fünf Jahren hatte ich bei den Helstorfern (SV Germania Helstorf) allerdings schon das Vergnügen an Wettkämpfen über 15km teilzunehmen. Doch damals war ich noch trainiert. Für diesen Lauf habe ich eine Woche lang auf den Straßen Nairobis versucht, mich an die dünne Luft auf 1700m Höhe anzupassen. Leider hinderte mich die verpestete Luft an einem genussvollen Training. Ob ich durchhalte?

Das Feld sortiert sich schnell. Die Stickerträger sind nicht mehr zu sehen. Am Anfang läuft man noch über einige Kreuzungen, doch bald ist die monotone Strecke erreicht. 17km des Halbmarathons bestehen aus einem einmaligen Hinundherlaufen einer ganz langen Straße. Irgendwann höre ich „Bernhard, Bernhard". Anna, eine Deutsche, die als Praktikantin im Krankenhaus arbeitet, hat mich entdeckt und feuert mich an. Das spornt an.

In der Ausschreibung stand, dass alle fünf km ein Schild steht. Leider habe ich bisher keines entdeckt. Habe ich es übersehen? Fünf km müssten um sein. Den ersten Wasserstand lass ich links liegen. Leider halten sich die Läufer nicht an die Bitte die Flaschen nach Gebrauch nicht auf die Straße zu schmeißen, so dass eine riesige Pfütze und herumliegende Flaschen den Wasserstand markieren. Um keine nassen Füße zu bekommen, muss man sich ganz rechts halten.

Hm, immer noch kein Schild. Keine Orientierung wie schnell ich bin. Ich hatte mir vorgenommen unter 100 Minuten zu brauchen. Doch nun, nur geradeaus, irgendwie nach Gefühl. Am Rand stehen nur erstaunlich wenig Zuschauer, auch kaum Jubelrufe vom Rand. Ab und zu schreien ein paar Weiße und feuern ihre Favoriten an. Das ruhige Betrachten erinnert mich an die Trommelfeste in Tansania. Auch dort wurde kaum Regung gezeigt. Anscheinend ist es hier so üblich.

Immer geradeaus. Die Beine fangen an, sich bemerkbar zu machen. Endlich erreiche ich den Wendepunkt der langen Straße. Nach der halben Strecke meine erste zeitliche Orientierung. 7 min zu schnell für 100 Minuten. Ich drossele mein Tempo etwas. Meine Beine schmerzen immer mehr. Eine kurze Zeit laufe ich mit einem Triathleten aus Schweden zusammen. Ich gebe ihm Windschatten, doch allzu viel Wind ist nicht und sein Tempo ist etwas zu schnell. Wir trennen uns wieder. Die Zeit vergeht und es wird wärmer. Die Sonne brennt. Ich bin völlig ausgetrocknet und bediene mich an den Wasserstationen. Trinke und mache meine Arme nass. Kein Schild in Sicht. Wie lange muss ich noch durchhalten? Bin etwas durcheinander und lese meine Uhr falsch. Denke, dass in wenigen Minuten das Ziel kommen muss. Laufe etwas schneller. Ich überhole einige und setze fort. Nach einiger Zeit werde ich misstrauisch. Ich schaue erneut auf die Uhr und stelle fest, dass noch mindestens eine halbe Stunde vor mir liegt. Völlig erschöpft werde ich wieder langsamer, passe mich an das Tempo der anderen Läufer und ärgere mich. Mir geht's nicht gut. Versuche durch ein wenig Gehen, mich zu regenerieren, doch die Beine schmerzen nach einem Schritt Gehen so sehr, dass ich mein Laufen fortsetze. Nun ist der Wasserstand wie ein Segen. Ich ueberschuette mich mit Wasser. Es geht nichts ueber diese Dusche.

Ein Schild deutet darauf hin, das der volle Marathon in zwei km vorbei ist. Auch hier dachte ich, etwas Tempo kann ich zulegen. Wo der volle aufhört muss auch der halbe Marathon aufhören. Leider müssen die Halbmarathonläufer einmal mehr um das Stadion herumlaufen, so dass ich erneut zu früh war. Endlich kommt das Stadion in Sicht. Ein Umweg und ich bin im Stadion. Im Stadion eine letzte Runde und das Ziel ist nach 1:35h erreicht. Kaum des Gehens mächtig wird mir die Positionsnummer 657 überreicht. Die Medaille wird überreicht, der Chip wird abgenommen und man muss warten und warten, um einen Abschnitt von seiner Startnummer abzugeben. Nach einer Stunde Erholung mache ich mich auf die Suche nach der Siegerehrung. Irgendwo steht ein Mann mit einem 20cm dicken Stapel Urkunden in der Hand und liest vor einer riesigen Menge die Namen auf den einzelnen Urkunden ab. Ich stehe soweit entfernt, dass ich ihn kaum verstehe. Die Leute melden sich bei Erwähnen ihres Namens und die Urkunde wird durchgereicht. Ich denke, dass kann ja ewig dauern und frage mich, in welcher Reihenfolge es vorgelesen wird. Ich frage herum und sie meinten, es gebe keine Reihenfolge. Trotz Misstrauen, ob ich jemals aufgerufen werde, blieb ich einen Moment. Und tatsächlich wurde mein Name genannt. Stolz auf meine Zeit, verbrachte ich den Rest des Tages völlig erschöpft im Bett.

Sonntag, November 12, 2006

ein Arbeitstag in der Ambulanz

Ich verbringe den heutigen Tag im Bett, weil mich ein Virusinfekt dazu zwingt. Viel Zeit, um gekaufte und geschenkte u.a. auch afrikanische Musik zu hören und die beeindruckendsten Momente niederzuschreiben.


Ambulanz

Seit zwei Wochen verbringe ich die Werktage in der Casualty, Ambulanz für alles. Man kann sie sich vorstellen als Viereck. An der einen Seite des Vierecks befindet sich der Eingang mit Vorraum, angrenzend dazu ist auf der linken Seite, die Ambulanz für die Patienten, die noch laufen können und auf der rechten Seite für die Patienten die auf einer Liege liegen. Zurück zum Viereck; auf der gegenüberliegenden Seite vom Eingang (wenn man also ganz durchgeht) befinden sich ein Operationssaal für kleine Eingriffe, ein Raum zum Nähen von Wunden und ein Intensivzimmer. Die Räume in der Mitte des Vierecks sind Büros oder Plaster Room, ein Gipsraum, zum Anlegen von Gipsen.

Die Ambulanz ist viel zu klein für so viele Patienten, doch die eigentlichen Räume wurden vor vielen Jahren wegen Renovierungsarbeiten, die wegen Korruption usw. bis heute nicht abgeschlossen sind, geschlossen. Das muss man sich mal vorstellen. Da quetschen sich hunderte Menschen (eigentlich alle Patienten, die ins Kenyatta National Hospital ambulant und stationär kommen, rund 2500 Betten) in diese zu klein geratenen Räume, weil irgendjemand das Geld für den Bau in die eigene Tasche gesteckt hat.

Vor der Ambulanz sitzen rund um die Uhr ca. 50 Leute, entweder Angehörige oder Patienten, die noch auf die Erstuntersuchung durch eine Krankenschwester warten, Blutdruck und Fieber messen und die Hauptbeschwerden dokumentieren. In einem Vorraum und in den angrenzenden Fluren liegen oft mehr als zehn Patienten auf Liegen, benommen oder gekrümmt vor Schmerz. Entlang der Flure stehen mit wartenden Patienten überfüllte Bänke. Sie alle warten und warten und man hat den Eindruck es werden nicht weniger und sie warten Ewigkeiten. So kann es auch schon einmal sein, dass schwerverletzte Patienten einen ganzen Tag in der Ambulanz verbringen. Sie warten erst auf die Erstuntersuchung durch den Arzt, der Untersuchungen anordnet, Röntgenbilder, CT oder Ultraschall. Nach der Anordnung müssen die Angehörigen erst einmal Geld auftreiben für die Untersuchungen und sich anschließend in die lange Schlange vor dem Kassierer einreihen. Wenn sie das Geld nicht auftreiben konnten, müssen sie Kredit beantragen, in einem anderen Bereich, warten in einer anderen Schlange. Den Kredit müssen sie innerhalb eines Monats zurückbezahlen. In besonderen Fällen werden die Kosten glaube ich auch vom Krankenhaus übernommen, aber da bin ich mir nicht sicher.

Sollten die Untersuchungen dann irgendwann mal bezahlt sein, geht es auf in die Schlange für die Untersuchungen. Ewigkeiten vergehen. Manchmal geht das CT oder der Drucker für die CT-Bilder auch nicht. Dann muss der Arzt mit einem Röntgenbild vom Kopf auskommen. Das CT ist ein Gerät aus 1994. Die Schichten werden noch einzeln angesteuert. Und es dauert ewig bis ein Patient untersucht ist. Ein neues Gerät, ein Spiral-CT soll seit einiger Zeit angeschafft werden, aber bisher ist es noch nicht „angekommen".

Nach den Untersuchungen kommt der Patient erneut zum Arzt. Meist ein anderer Arzt als bei der Erstuntersuchung. Es werden andere Untersuchungen angeordnet, der Patient wird in eine andere Schlange vor einer Spezialambulanz überwiesen oder direkt auf Station gebracht. Es ist nichts Ungewöhnliches, dass ein Patient um 8 Uhr morgens in der Ambulanz angekommen ist und um 17 Uhr auf Station kommt.

 

Ein Tag in der Ambulanz

Heute war ich auf der liegenden Seite und fünf Unfallopfer warteten auf den Arzt. Jeder war an einem anderen Unfall beteiligt. Schmerzen in der Schulter und an den Beinen. Einem anderen tat etwas im Bereich des rechten Rippenbogens weh… Im Intensivraum lag eine Patientin mit Meningitis, Gehirnhautentzündung, wohl zum zweiten Mal und im schlechten Zustand. Ich verliere den Überblick. Wo soll ich anfangen? Ich verbringe einige Zeit mit kenianischen Studenten im Gipsraum und helfe alle möglichen Frakturen zu versorgen.

Danach, auf den Gängen liegen Patienten mit Kopfverletzungen, dicken durchgebluteten Druckverbänden. So viele Schwerkranke nicht versorgt. Wo soll man anfangen? Warum kümmert sich niemand um die Patienten auf den Gängen? Ich untersuche sie grob und versuche instabile Patienten ausfindig zu machen. Angehörige von einem Patienten erkennen mich wieder und fragen mich um Rat. Soll die Wunde am Bauch noch genäht werden? Ich wusste bisher noch nichts von der Wunde. Ein Patient nach Verkehrsunfall, bei Aufnahme mit einer Glasgow Coma Scale von 10, benommen. Er war erst im Intensivzimmer und liegt inzwischen auf dem Gang ohne Überwachung. Vorhin hatte ich noch beim Gipsen seines Oberarmbruchs geholfen. Er hatte während des Gipsens erbrochen. Sein Zustand scheint sich etwas verbessert zu haben, aber immer noch benommen. Nach dem Finden der Akte konnte der Arzt gefragt werden, ob wir Studenten die Wunde im Stitching Room versorgen können. Wir sollten nun erst den Patienten in den Stitching Room bringen, damit sich der Arzt dort die Wunden ansehen kann. Gesagt, getan. Im Stitching Room angekommen, versuche ich den Kopfteil der Liege etwas anzuheben, da bei einer Kopfverletzung wie hier durch das einfache Anheben des Kopfes der Druck im Kopf gesenkt werden kann, was zu einer besseren Durchblutung des Gehirns führt.

Beim Aufdecken des Patienten fällt nicht nur der Verband am Bauch auf, sondern auch am rechten Oberschenkel. Eine verschmutzte klaffende Wunde mit großem Hautfetzen. In diesem Fall ist es eine Sache für den OP mit Vollnarkose.

Plötzlich ist der Patient wieder orientiert und fragt, was denn passiert sei. Er könne sich an nichts erinnern. Was das Anheben des Kopfes für Auswirkungen hat…

Ich begebe mich wieder auf die Suche nach Arbeit. Es gehen zwei Männer mit einer Bahre in die Nähe vom Intensivraum. Ich folge ihnen. Die Bahre ist mit einem riesigen Metalldeckel verschlossen. Hier im Krankenhaus werden die Toten damit transportiert. Sie sammeln eine weitere Leiche - in einem weißen Tuch eingewickelt - ein. Nach langer Überlegung fällt mir ein, es ist die Frau mit der Meningitis. Es bedrückt mich und diese Szene geht mir nicht aus dem Kopf. Hätte man noch etwas machen können? Ich gehe einen Flur entlang und sehe einen Menschen komplett zugedeckt mit einem weißen Tuch. Ist es auch für ihn zu spät. Ich decke sein Gesicht auf und Gott sei dank, er atmet noch.

Ein Arzt sieht mich und möchte mir einen Patienten zeigen. Es sei eine Blickdiagnose. Es ist ein Kaposi Sarkom am Fuß eines Mannes. Eine opportunistische Erkrankung bei AIDS. Im Nachbarraum liegt ein kleines Kind zugedeckt. Es wird aufgedeckt und es zeigt sich eine Verbrennung über den ganzen Oberkörper und am linken Oberarm. Mir wird alles zu viel. Ich gehe wieder auf den Flur - noch mehr Kranke auf ihren Liegen. Mir scheint sich alles zu drehen. Es ist zu viel. Ich verlasse die Casualty.

Mit zwei kenianischen Studenten mache ich mich noch auf die Suche nach einer Putzfrau aus meinem Hostel, die vor zwei Tagen morgens die Treppe heruntergefallen ist und anschließend schreiend vor meiner Tür lag. Sie hatte starke Schmerzen im rechten Oberschenkel und im Knie. Eine Studentin konnte sich an diese Frau aus meinem Hostel erinnern und begleitete uns auf eine Station im siebten Stock, der Stock für die orthopädischen Stationen. Sie sind alle überfüllt mit Patienten. Mehr Patienten als Betten. Viele von ihnen können sich eine Operation nicht leisten (80 € Vorauszahlung) und liegen auf Station und bekommen Schmerzmittel.

Wir finden die Putzfrau. Sie hat einen Streckverband wegen der Oberschenkelfraktur. Eine vernünftige Röntgenaufnahme vom Knie gibt es leider nicht. Ein Meniskus und ein Kreuzband scheinen verletzt. Sie wartet nach zwei Tagen immer noch auf die Operation des Bruchs. Da es heute Freitag ist, wird sie wohl frühestens Montag versorgt werden.

Kinderheim - Das Nest

Vor einiger bzw. langer Zeit habe ich mich alleine zu einer Lesung ins Goethe-Institut aufgemacht. Es war schon interessant in Nairobi zwischen lauter Kenianern zu sitzen, mit denen man sich teilweise auf Deutsch unterhalten konnte. Der deutsche Autor Ilija Trojanow las im Wechsel mit einem kenianischen Autor aus seinem Buch „Der Weltensammler" vor. Eine Erzählung über den Expediteur Richard Francis Burton. Im Anschluss an die Lesung gab es Snacks, und Wein wurde ausgeschenkt. Ich habe Juergen (http://blog.uhuru.de) und Marlies kennen gelernt, Deutsche in meinem Alter, die hier in Nairobi aufgewachsen sind und zur deutschen Schule gegangen sind. Sie haben in Deutschland studiert und sind gerade wieder hier, um Praktika zu machen. Wir sind ins Gespräch gekommen und sind anschließend noch ins Java House, ein Cafe, das seit ca. 3 Jahren in Nairobi europäischen Standard zu fast europäischen Preisen bietet.

Marlies hat vom Kinderheim ihrer Eltern berichtet. Ein Kinderheim „The Nest" etwas außerhalb von Nairobi, das Kinder von meist Müttern aufnimmt, die aus irgendwelchen Gründen sei es zu Recht oder zu Unrecht im Gefängnis gelandet sind. Sie werden z.B. festgenommen, wenn sie ohne Genehmigung auf der Straße etwas verkaufen, und kommen abends nicht mehr zurück. Die Kinder warten vergeblich auf die Rückkehr ihrer Mutter. In einigen Fällen leben die Kinder für Wochen alleine in ihrer Hütte im Slum und verwahrlosen bis z.B. die Mutter über das Gefängnis bei einem Kinderheim Bescheid gibt und sich die Sozialarbeiter auf die schwierige Suche nach dem Kind begeben.

Marlies hatte mich eingeladen, mir das Heim einmal anzuschauen. An einem Feiertag habe ich mich mit ihrer Mutter, ihrer Schwester, Sekretärin und ihr auch auf den Weg dorthin gemacht. An diesem Tag sollte ein Dankgottesdienst für ein paar Bayern gehalten werden, die Solarkollektoren für Warmwasser als Spende auf dem Heim installiert haben.



Das Heim ist in Limuru, ca. eine halbe Stunde von Nairobi entfernt. Dort angekommen wurde ich gleich als Daktari (Doktor) vorgestellt. Die angestellte Krankenschwester begrüßte mich freundlich und war gerade beim Entfernen von Sandfloheiern aus der Fußsohle eines Jungen, der neu ins Kinderheim gekommen war. Nach einem Rundgang durch das Heim wurden mir die schwierigsten Fälle von der Krankenschwester vorgestellt. Ich sollte vorsichtshalber ein Stethoskop mit ins Heim nehmen. Das kam nun auch zum Einsatz. Auch wenn ich mich etwas überfordert fühlte, hab ich mein bestes gegeben. Kinder zu untersuchen und abzulenken gehört doch zu meinen Lieblingsbeschäftigungen.

Ein Junge hatte eine Schwäche des rechten Beins. Es war dünner als das andere Bein und die Reflexe waren auch schwächer. Evtl. Polio?

Ein Mädchen, fünf Jahre alt, war seit einem Monat im Nest und war viel zu klein für ihr Alter. Sie wurde von ihren Eltern in einer Art Käfig gehalten. Sie hatte Wunden am Kopf, weil sie mit dem Kopf absichtlich ständig gegen die Wand geschlagen ist. Dieses Verhalten hätte aber in letzter Zeit nachgelassen. Auch ihr ständiges Lächeln und ihr kleiner Kopf ließen auf ein geistiges Zurückbleiben vermuten. Was soll man tun?

Als nächstes kam ein zehnjähriger Junge in den Untersuchungsraum gehinkt. Er hatte durch einen Unfall ein gebrochenes Bein, das schief zusammengewachsen war. Das Bein war verkürzt und der untere Teil nach außen gedreht. Das Knie war steif. Ich konnte nur eine Operation empfehlen, in der das Bein in eine optimalere Stellung gebracht und evtl. verlängert werden kann.

Bei anderen Kindern konnte ich Herzgeräusche hören, die eine kardiologische Untersuchung erforderlich machen.

Nun rief der Gottesdienst und ich musste mich beeilen, um auch dem letzten Patienten gerecht zu werden. Ein paar Lieder habe ich im Gottesdienst noch mitgesungen und dann bin ich mit Marlies wieder nach Nairobi aufgebrochen.

Wer noch mehr über das Kinderheim wissen möchte: http://www.thenesthome.com

Freitag, November 10, 2006

Friseurerlebnis

Die Tage rasen davon, so dass man kaum dazukommt, von den spannendsten Ereignisse der letzten Zeit zu berichten; es gibt soviel zu erleben.
Viel Zeit ist ins Land gegangen, auch in Bezug auf meinen letzten Friseurbesuch, so dass ich es tatsächlich gewagt habe, mich hier auf die Suche nach einem Friseur zu machen. Leider habe ich mich - auf nur eine zweifelhafte Empfehlung hin - zu einem Friseur neben dem französischen Kulturzentrum begeben. Ich fragte, ob sie auch Haare von Weißen schneiden und sie sagten ohne Umwege ja. (Da die Haare von Schwarzen gekraust sind und eine völlig andere Handhabung erfordern, ist diese Frage berechtigt und nicht etwa rassistisch.) Ich setzte mich auf den Stuhl und erinnerte mich in letzter Sekunde daran, dass man in Kenia in jedem Fall VOR einem Geschäft den Preis aushandeln sollte. So bekam ich auf die Frage nach dem Preis die Antwort 10 €. Ihr würdet jetzt denken, ist doch in Ordnung, aber hier ist es wahnsinnig viel Geld, wenn man berücksichtigt, dass die Menschen hier 80 € im Schnitt im Monat verdienen. Ich begann zu handeln und fragte nach einer Preisliste und der vermeintliche Friseur sagte, es gebe keine. Das wollte ich bestätigt wissen und ging zur Rezeption und fragte dort nach einer Preisliste. Und siehe da, es gab eine: 3 € für einen Männerhaarschnitt. Wenn hier ein Weißer gesehen wird, denken viele, oh er hat viel Geld, wir können an ihm verdienen. So vergeht auch kein Tag, an dem nicht versucht wird, mittels abgenutzter Safari-Broschüre oder hunderter angebotener Taxis mit mir ein Geschäft zu beginnen. So wächst das Misstrauen auf meiner Seite und damit auch die Kontrolle, ob das stimmt, was der gegenüber für Preise kundgibt. Und warum soll man wegen seiner Hautfarbe einen anderen Preis bezahlen?
Nun denn, trotz Falschaussage habe ich mich zurück zum Stuhl begeben und mich angstvoll auf einen Haarschnitt eingelassen. Er fing auch gleich an, ohne mich zu fragen wie ich es denn gerne haben wolle. Schlechter Anfang. In Kenia laufen die meisten Männer - oder vielleicht sogar alle - kurzgeschoren herum. Nun ja, ich merkte an, dass sie nicht zu kurz geschnitten werden sollten, vor allem oben auf dem Kopf. Auch in Deutschland stelle ich mich immer an, dem Friseur zu sagen, wie es denn aussehen soll. :) Ihr wisst ja, wie ich immer rumlauf. Nun ja, nach einer Zeit fragte ich, ob er denn auch eine Schere benutzen würde, da er bisher nur mit dem Rasierer überall meine Haare gestutzt hat. Gefragt, getan. Er versuchte es mit einer Art Bastelschere, ein paar Haare zu kürzen, doch mit wenig Erfolg. Er verschwand und kam nach einiger Zeit mit einer ähnlich aussehenden Schere zurück und versuchte es erneut. Es ging zwar nicht besser, aber eine andere Schere war in diesem Friseurladen nicht vorhanden. So setzte er seine Zeremonie mit dem Rasierer fort, leider wie gesagt auf dem gesamten Kopf also auch oben mit 15mm Abstand. Ihr fragt euch, warum bist du nicht einfach gegangen? Aber soll ich mit dem halb frisierten Kopf durch die Gegend laufen? Im Nachhinein wäre es wohl kein Unterschied gewesen. Einige Deckhaare standen bereits ab. Nun nahm er erneut die Bastelschere zu Hilfe und schnitt die abstehende Deckhaare kurz. Aua, dachte ich mir. Völlig zerknirscht hoffte ich nun auf das Ende. Ich fragte nach Haargel, um das abstehende Haar etwas zu legen und nach dem nächsten Geschäft, wo Haargel verkauft wird. Fuer den Endpreis hatte ich nun eine "bessere" Ausgangsposition.
Nun denn, jetzt bin ich um eine Erfahrung reicher und wenn ich daheim bin, sieht man es dann hoffentlich nicht mehr. :)


Berichte ueber ein deutschgefuehrtes Kinderheim und einem NGO-Besuch im Slum folgen. Irgendwann kann ich dann von meinem letzten Wochenende erzaehlen. Wir waren in Mombasa am Strand. Sehr erholsam!