Donnerstag, Februar 21, 2008

AMREF oder besser bekannt unter Flying Doctors - Fliegende Ärzte in Ostafrika

An einem Donnerstag erhielt ich die Möglichkeit die ärztliche Leitung der Fliegenden Ärzte in Nairobi zu begleiten. Es war ein einzigartiger Tag mit sehr eindrucksvollen Erlebnissen. Die Vorstellung einen Anruf entgegen zu nehmen und diesem Notfall zu helfen, indem man zu ihm fliegt, mitten in der Steppe landet und dort vielleicht einem Menschen das Leben zu retten, hat etwas Beeindruckendes. Einmal mitzufliegen scheint eine einmalige Möglichkeit zu sein.
Als ich ankam, stand fest, dass an diesem Morgen zwei Maschinen starten sollten. Die erste war bereits unterwegs, die zweite wurde im Verlauf auf unbestimmte Zeit verschoben, weil sich die Versicherung noch nicht klar war, ob dieser Einsatz nötig wäre.
Um die Situation dort besser zu verstehen, sollte man vielleicht erst einmal die vier unterschiedlichen Fluggründe vorstellen:
  1. Mitglieder: Für 15-50€ im Jahr kann man Mitglied bei den Fliegenden Ärzten werden. Im medizinischen Notfall wird man so vom Irgendwo in Ostafrika nach Nairobi transportiert, um dort eine schnelle und für westliche Standards gute Versorgung gewährleisten zu können.
  2. Versicherungen: Etliche Auslandskrankenversicherungen haben mit den Fliegenden Ärzten Verträge abgeschlossen, um im Notfall einen Rücktransport ins Heimatland anbieten zu können.
  3. Wohltätigkeit: Sollte ein medizinischer Notfall in einem peripheren Krankenhaus nicht behandelt werden können, so bieten die Fliegenden Ärzte einen kostenlosen Charityflug für diesen Notfall nach Nairobi an.
  4. Outreach: Um die medizinische Versorgung in entfernten Krankenhäusern zu verbessern, werden spezialisierte Ärzte in entlegene Häuser geflogen, um dort für einige Tage angesammelte Fälle zu operieren. So können Allgemeinchirurgen oder plastische Chirurgen in kurzer Zeit vielen Menschen evtl. schon länger bestehendes Leid beheben. Dieser Punkt bedarf einer guten Organisation in Nairobi und vor Ort.
Für Besucher ist dort ein Museum eingerichtet, indem man sich die Geschichte der Doktoren anschauen kann und spektakuläre Bilder gezeigt werden. Auch ein Film wird gezeigt. Ein Flugzeug direkt neben einem Elefant, das Landen auf einer im Wasser stehenden Sandpiste, das Starten auf einer Piste bergab, ein Baby im Inkubator über den Wolken... Alltag für die fliegenden Ärzte und Piloten. Später mehr...

Donnerstag, Februar 14, 2008

ein ganz normaler Tag - Fortsetzung

Grad sitzt ich im Zug und mir kommt es vor, als wäre eine Ewigkeit seit dem letzten geschriebenen Wort vergangen. Just arrived in Marburg. Aus einem Land, das Jahre friedlich vor sich her geschlummert hat und auf einmal die Menschen verrückt spielen. Wieder kam grad eine Nachricht vom Nest rein, dass das Leid sich fortsetzt bzw. auch im Nest mehr davon zu spüren ist. Aus Nakuru, einer Stadt nicht weit von Nairobi im Westen, sind Kinder und Alte, Flüchtlinge, ins Nest gekommen. Die Sohlen der Füße der Kinder sind von Sandflohen angenagt, und die Alten nagen am Hungertuch. Eine Familie wurde von ihrem Bauernhof vertrieben. Einen Bestand von 5 Kühe konnten sie sich in jahrelanger Arbeit mühsam aufbauen und jetzt kamen sie mit einer Plastiktüte in der Hand in Nairobi an. Da kommt immer wieder die Frage auf: Warum kommt es zu dieser Unmenschlichkeit? Zurück zum Flughafen. Zum zweiten Mal da. Ich ging erst zum Schalter, um mich zu vergewissern, dass der Flug auch wirklich geht. Und ja, er sollte starten. Mit dem Boarding Pass in der Hand ging ich in den Warteraum, schaue auf den Bildschirm. Dort steht geplanter Abflug um 22.30h, voraussichtlicher um 6.55h. Ich zurück zum Eingang und frage das gelangweilte Personal. Sie wollten mir nicht glauben und folgten mir. Tatsächlich. Ich zurück zum Checkin-Schalter. Die Dame in roter Kleidung sagte, es sei jeden Abend so. Die Anzeige sei immer verkehrt und der Flieger würde aber pünktlich abfliegen. Puh, nochmal Schwein gehabt. Es wär ja auch zu verrückt gewesen. Mit Pizzapappe aus der Stadt in der Hand passierte ich erneut die Schranke. Für diesen Aufenthalt ein letztes Mal. Die Maschine ging und ich war um halbzwölf nachts in Mombasa. Das Flugzeug war unerwartet gut gefüllt und
die Menschen verschwanden in die Nacht. Einige Minuten verfolgten mich noch kundenlose Taxifahrer, dann war der Flughafen leer. Ich hatte die Info, dass es in der Nähe kein Hotel gäbe. Deshalb hatte ich mich auf eine Flughafenübernachtung eingestellt. Man sagte, es sei eine Wartehalle geöffnet. Naja, Pustekuchen, selbst eine Toilette hatte ich zunächst übersehen. Ich schnell - wahrscheinlich unerlaubterweise - zur Gepäckausgabe zurück, bei der ich kurze Zeit wie ein Wunder das Gepäck erhalten hab. Dort war eine Toilette. Zumindest die Zähne sollte sich abends ein Deutscher putzen. Als ich wieder rauskam, wunderten sich die Sicherheitsleute, wo ich denn zu so später Zeit herkommen. Sie schauten mich ganz ungläubig an, dass ich die Nacht hier auf dem Flughafen verbringen wolle. Jemand bat mir an, einen Taxifahrer zu verständigen, der mich zum nächsten Hotel bringen solle. "Jambo Grill". Es gäbe dort auch Moskitonetze. Der
Preis für die Taxifahrt hörte sich wirklich nach einer kurzen Strecke an, obwohl der so sorgenvolle Sicherheitsmann (in Kenia allgemein"Askari" genannt) für die Vermittlung vermutlich seinen Anteil erhalten würde. Ich nickte zaghaft und war mit der Sicherheitslage bei
Nacht nicht im Reinen. Aber Dusche und Bett sind nach einem strapazierenden Tag schon etwas verlockendes. Hob schon einen kleinen Betrag, 1000 kenianische Shilling, ab (10 Euro) und machte meine Entscheidung in Nairobi bekannt. Doch Marlies war nicht so überzeugt und was ist sicherer als ein Flughafen in einem zerrütteten Land. Und bei Nacht sollte man sich auch in normaler politischer Lage nachts nicht unbedingt auf Reisen befinden. Also blieb mir nichts anderes übrig als hier zu bleiben. Unter dem großen Vordach mit ringsherum offenen Blick ins Freie, befanden sich ein paar Sitzgelegenheiten, viele halbwache Askaris, einige Putzkolonnen und ich. Der nächste Flug ging erst um 7h. Die nächsten Stunden galt es also totzuschlagen,
nicht nur für mich, sondern auch für die 10 Askaris, die sich immer mehr in eine schlafende Position begaben. Ihnen standen hierfür ein paar Bürostühle hinter einer Glasscheibe neben den
Durchleuchtungsgeräten zur Verfügung. Direkt neben den für Auswahl stehenden Sitzgelegenheiten befand sich das Office für den Sicherheitschef und die hiesige Polizei. Sie saßen an einem Tisch vor den Türen zu ihren Büros und warteten, dass etwas passiert. Ich stell mir vor, dass es nichts besonderes für sie ist, dass irgendein Weißer meint, die Nacht auf dem Flughafen zu verbringen.
Ich versuchte es mir auf den Hartplastikschalenstühlen bequem zu machen. Doch das Gefühl war schon arg komisch, dass mich keine Wand vom Freien trennte und vielleicht denkt sich ja doch jemand, dass sich etwas interessantes im Gepäck eines Weißen befindet. So ging ich zu den Sicherheitschefs und fragte, ob es nicht möglich sei, dass ich mir zumindest hinter der Glasscheibe ein Schlafplätzchen suchen könnte. Ein bisschen Swahili, ein bisschen lustig machen über die Situation... Es hat geklappt. Direkt hinter der Glaswand und noch vor der Durchleuchtungsmaschinerie durfte ich mir die Ecke neben den durch Askaris belegten Bürostühle als Schlafstätte aussuchen. Kopf auf den kleinen Rucksack, Beine auf die Reisetasche und in der Mitte meine Jacke. Das Bett war quasi perfekt. Mosquitos waren ein kleines Problem, aber dank Kikoi, einem kenianischen Tuch, konnte ich die freien Körperpartien bedecken. Eine Grille machte ganz schön Krach und einige Askaris haben sich noch angeregt unterhalten, aber ihre Kollegen neben mir, machten es ihnen schon gut vor. Schnarch! Nach zwei Stunden tat mir alles weh, irgendwie hab ichs bis halb 4 geschafft. Dann tauchten die ersten Deutschen für ihre Chartermaschine nach München auf. Ich blieb liegen und der Betrieb ging neben mir los. Sie machten gottseidank noch keine Anstalten, mich von meiner Ruhestätte zu vertreiben. Man stelle sich die Situation mal in Deutschland vor.
Irgendwann hatte ich doch ein gewisses Anstandsgefühl und legte mich auf der anderen Seite der Durchleuchtung hin. Hier diente eine Metallbank als Liegeplatz, die für gewöhnlich für den Zoll zur Verfügung steht. 3,5h (!) vor Abflug kamen die ersten Touristen für meine Chartermaschine um 9.30h nach Frankfurt. Als ob die nicht zumindest etwas länger hätten schlafen können. Auch noch Businessclass, so dass ich quasi doch der erste am Economyschalter war. Die Abfertigung erfolgte ganz ohne Computer. Sie hatten einen meterlangen Ausdruck auf denen, sie die Passagiertickets überprüfen konnten. Zwei große Bögen mit Aufdruck des Flugzeuginneren dienten für die Sitzzuordnung. Mein Betreuer griff zielstrebig schon nach einem Platz. Schnell realisierte ich, dass ich zumindest jetzt die Möglichkeit einer Verbesserung der Schlafgelegenheit nutzen sollte. "I ask for sitting at a window!" Er antwortete, ich sei allein und er
könne mir keinen Fensterplatz geben. Wie bitte? Ich bin erster und er kann mir keinen Fensterplatz geben? In einer Maschine, die sowieso nicht voll belegt sein wird. Ich bestand auf mein Recht auf besseren Schlaf und fragte nach seinem Chef. Ich erzählte meine Übernachtungsstory und realisierte, dass sie erst mit der Arbeit begonnen hatten. Alle anderen Flughafenangestellten kannten mich bereits und lächelten mir morgens fröhlich zu. Nun ja, sie griffen dann doch zu einem Fensterplatzaufkleber und klebten ihn auf meinen blauen Boardingpass. Anlehnstelle und Schlaf gerettet. Auf zum nächsten Sicherheitscheck. Dieser war sehr streng für kenianische Verhältnisse. Ich musste meine Schuhe ausziehen, aber gegen meine 1,5l große Wasserflasche hatten sie nichts, wo doch nur noch Flüssigkeitsbehältnisse mit max 150ml erlaubt sind. Im Duty-Free-Shop-Bereich angekommen. Dominierende Gesprächssprache ist hier deutsch. Einige Charterfliegende nach Mailand mischten sich auch
unter. An der Kleidung konnte man den Zielort der Wartenden gut einschätzen. Italiener elegant auch in passender Kakifarbenen Montur. Die Deutschen bevorzugten eher Hakuna-Matata-T-Shirts, die ihr Übergewicht und ihre gespannte Jeans kaum verbergen konnten. Bei einigen dominierte auch die für Safariunternehmungen wohl obligate Farbe Beige. Andere versuchten sich über das Anbringenlassen von Rasterzöpfen mit dem Land zu identifizieren.
Allein der Anblick ließ bei mir Skepsis aufkeimen und wer einmal den Strand an der Küste Mombasas gesehen hat... Riesen Hotelanlagen für Europäer mit Swimming Pool, die durch die Touristen kaum verlassen werden. Sonnen, aalen, essen und vielleicht noch eine Tour, um große Tiere zu besichtigen; Safari genannt. Doch mit den Menschen und dem Land wird sich kaum auseinandergesetzt. Leselektüren sind Kreuzworträtsel aus Deutschland. Mitbringsel riesige in
Papierverpackte Holzgiraffen, die vielleicht irgendeine Zahnarztpraxis zieren werden. Diese strandophile und animalophile Art von Tourismus ist für mich schwer zu verstehen. Stolz sind sie, wenn sie das Begrüßungswort "Jambo" beherrschen. Das dieses allerdings im Suaheli genauso wie "Hakuna matata" (für "kein Problem") eigentlich nur im Zusammenhang mit Touristen verwendet wird, weiß keiner.
Und doch, ist es der Tourismus, der die größte Einnahmequelle Kenias darstellt. Dieser merkwürdige Tourismus, der in so vielen anderen Ländern der Welt vermutlich ähnlich aussieht. Hier die Hotelburgen und eine Straße weiter, die einfachsten Herbergen für Hotelangestellte,
auch Holzhütten. Hier leben die Eltern mit ihren Kindern und evtl. Vieh auf engsten Raum.
Der Lebensinhalt so vieler Kenianer ist es, den Urlaub der Europäer angenehm zu machen. Jetzt bricht der Tourismus weg und der Hunger bricht aus, weil in der High Season auf einmal die Hotels leerbleiben und sich nur noch routinierte Strandlieger in das Land trauen. Und
wenn sie nach Hause kommen, ist es wichtiger davon zu berichten, dass sie einen Löwen gesehen haben, als dass sie ein Gespräch mit den Menschen über deren Familie geführt haben. Ist das normal? Von Hakuna matata kann ja jetzt zur Zeit keine Rede sein.
Ich schau in mein Portemonnaie. Es sind umgerechnet 15 € in KSH übrig. Was machen? Ich geh auf die Suche nach Safaricom-Kredit, Rubbelkarten, um das Guthaben auf meiner Handykarte zu erhöhen (allgemein "Credit" genannt). Und in Kenia ist es möglich Guthaben von seiner Handykarte auf die eines anderen zu übertragen. Es nimmt derweil derart Gestalt an, dass es auch als Zahlungsmittel angewandt wird. Möglicher Dialog wäre dann: "Oh, du hast grad kein Wechselgeld, dann schick ich dir 200 Credit." Es gibt also neben der zahllosen Scheine und Münzen auch die elektronische Währung auf dem Handy. Safaricom bietet jetzt quasi auch
Konten an, von denen dann gegen Gebühr Credit auch in bare Münze umgetauscht werden kann. Wer hätte gedacht, dass es in einem Dritte-Welt-Land so zugeht. Und doch ist es seit Jahren eins der wichtigsten Statussymbole ein ordentliches Handy zu besitzen. Wenns in einer Besprechung klingelt, ist es nicht etwa peinlich, dass man den möglicht außergewöhnlich tirilierenden Ton vergessen hat, auszumachen. Nein, es ist selbstverständlich, dass man abhebt und auch sitzenbleibt. Zeit hat ja in Kenia einen ganz anderen Stellenwert als in Deutschland...
Nun kommt von den Touristen kaum jemand darauf, Credit kurz vor Abflug zu beschaffen. In den Duty-Free-Geschäften ist er auch grad heute nicht mehr verfügbar. Ich hab ja Zeit und gehe komplett aus dem Flughafen, um das restliche Geld noch umzutauschen. Als ich den Sicherheitsleuten erzähle, dass ich Credit brauche, zeigen sie sichtlich Verständnis dafür. Wie gesagt, das Handy nimmt einen hohen Stellenwert ein. Mir fällt für Deutschland kein Vergleich ein. Was könnte die Sicherheitsbeamte in Deutschland dazu bewegen, einen erneut einreisen zu lassen. Vielleicht, dass man seinen Rucksack irgendwo stehenlassen hat? Bei der Passkontrolle musste ich wenigstens meinen Pass abgeben. Die Sicherheitsbeamten, die mit mir die Nacht verbracht haben, lächelten mir ein zweites Mal zu und ließen mich passieren. Ein völlig verrückter Mzungu eben. Aufgeladen und rübergeschickt. Innerhalb von Sekunden ist das Geld
irgendwo in Kenia auf einem anderen Handy. Und das Kostenlos. Eine Sekundenüberweisung übers ganze Land. Nun ja, wie es so ist, braucht das Handy auch Strom. Vor der langen
Reise noch einmal aufladen wäre nicht schlecht. Wie selbstverständlich suche ich nach einer funktionierenden Steckdose. Ein Ladenverkäufer sieht mich und meint, dass diese sicher nicht funktioniert. Er nahm mich mit und machte sich im Laden auf die Suche nach einer freien Steckdose. Der Chef schaltete sich ein und suchte für mich im Laden nach einer freien Steckdose. Er wurde fündig. Er fragte mich nach einem Stift, um das Einstecken des Eurosteckers zu ermöglichen. Die aus England stammenden Steckdosen sind mit einer Klappe gesichert, die
durch einen dritten Stift, dem Schutzkontakt zurückschnappt. Beim Eurostecker fehlt dieser und wird hier typischerweise durch einen Stift ersetzt. Wegen der oft auftretenden unterschiedlichen Stecker Routine in Kenia. Es lädt...
Ich lade deutsche Nachrichten auf meinem Handy. Auch Internet ist günstig und flächendeckend auf dem Handy verfügbar. Jedoch nicht kontinuierlich. Aber wie gesagt, mit der Einstellung zur Zeit...
Ein ganz normaler Tag in Kenia eben...

Mittwoch, Februar 13, 2008

Back to normal

Es ist 21 Uhr Ortszeit in Nairobi. Ich sitze am Flughafen. Warte auf den Flug nach Mombasa, um dort morgen früh um 9.35h in die zur Zeit günstige Condor-Chartermaschine einzusteigen. Doch ich sitze heute hier am Flughafen nicht zum ersten Mal. Es ist mein zweites Mal. Die eigentliche Maschine um 11h wurde gecancelt, weil irgendetwas an der Maschine nicht funktionierte. Ich wurde gleich auf die nächste Maschine um 15h umgebucht. Ich war etwas sauer auf die Dame am Check-in-Schalter, aber sie ist ja diejenige, die am wenigsten dafür kann. So hab ich mich brav mit meinem Boardingpass in den Wartesaal gesetzt und mich auf das versprochene Refreshment vorbereitet. Aber Moment, der Tag in Mombasa wär sowieso viel zu kurz und Warten am Flughafen ist so ziemlich das langweiligste, was es gibt. So hab ich mich entschieden, auf den letzten Flug um 22.30h umzubuchen (der erste am nächsten Morgen wäre zu spät). No Problem, aber meine Bedingung war ein kostenloser Transport in die Stadt hin und zurück (Wert: 30 Euro). Die Dame verschwand für eine Viertelstunde und kam mit einem Einverständnis zurück. Doch wie so oft in Kenia bedarf es einiger Anstrengung für jeden x-beliebigen Prozess. So auch für diesen Transport. Ein Gang durch Securitychecks zum internationalen Teil des Airports und dort an einem Schalter für Hoteltransport das handschriftliche Ausstellen von Formularen. Der Schalter in der Mitte der großen Ankunftshalle mit provisorischer Ausstattung. Ein Tresor auf Stelzen, daneben ein scheinbar verloren im Raum ohne Halt an einer Rückwand. Wie so vieles hier. Improvisieren können sie.
Wieder zurück durch den Security-Check. Nun warten bis die Dame vom Check-in-Schalter - sie begleitete mich die ganze Zeit - im Büro der Transportorganisation die Fahrt organisierte. Finally, wir starteten (ohne Check-in-Dame :-) ). In der Innenstadt einen Kunden an einem großen Hotel abgesetzt and then a bus for me. Ein paar Stunden mehr in Nairobi und Umgebung!
Unerwartetes Wiedersehen mit lieben Menschen. Erst ein Staunen :-o , dann ein freudiges Strahlen :-D . "I'm a ghost!" Hab ich gesagt. Noch mehr Gelächter. Kenianer erzählen mir, dass jemand vor 6 Jahren begraben wurde und gerade heute im Dorf wieder aufgetaucht sei. Sie sei verheiratet und lebe in Nakuru. Ein wirklicher Geist. Nun denn, der zweite Abschied war ja fast Routine und doch schwer. Mal sehn, ob es bei diesem Abschied bleibt.
... Gerade läuft hier in der Wartehalle in den Nachrichten ein Beitrag über das Krankenhaus, in dem ich damals einen Teil meines PJs gemacht habe. Sie beklagen die Korruption, die dort abläuft und zeigen das Schild der Anti-Corruption-Unit, das direkt am Eingang steht und bisher wohl wenig Wirkung zeigt. Ein verdeckt gemachtes Video zeigt ein Krankenzimmer mit Patienten auf der Erde auf Matratzen liegend, weil nicht genügend Betten vorhanden sind. Auch Patienten, die unter Betten anderer Patienten Platz finden. Natürlich kein Vergleich zu den privaten Krankenhäusern, die für die krankenversicherten Kenianer bestimmt sind.
Zu meiner Zeit war es im Kenyatta National Hospital (KNH) nichts außergewöhnliches, dass Patienten auf der Erde lagen. In öffentlichen Krankenhäusern sieht es im ganzen Land vermutlich kaum anders aus. Doch viel wichtiger ist wohl der Standard der medizinischen Versorgung, und der ist nicht unbedingt an dem Vorhandensein eines Betts festzumachen. Doch Ärzte im KNH verdienen ihr wirkliches Geld in Privatkrankenhäusern, weshalb sich tatsächlich 1. nur wenig Ärzte und 2. auch noch selten Ärzte im KNH aufhalten. Es würde wohl genügend Ärzte geben, aber das Einkommen ist zu unattraktiv. Hinzu kommt, dass die Patienten für die Kosten selbst aufkommen müssen, weil sie nicht krankenversichert sind. Ein hartes Brot für die gesamte Familie und ein Grund für unnötige Verzögerung wichtiger medizinischer Maßnahmen. Das Wetter, ich schalte wieder um...
Jetzt warte ich nun doch seit zwei Stunden, weil das Personal heute Mittag meinte, dass soviel Traffic sei, auch abends. Sie wollten mich um 19h für den 22:30h aus der Stadt losschicken. Selbst bei schlimmster Traffic Marmelade würde es höchstens 2h dauern und bei Anbruch der Dunkelheit bricht die Trafficwelle ab. Naja, ich konnte noch auf 19.30h handeln. Um 20h war ich dann am Flughafen angekommen.
... Passengers with the yellow cards, please boarding... Fortsetzung folgt

Montag, Februar 04, 2008

Flüchtlingslager

Gestern waren wir wie hier üblich in der katholischen Kirche in Nairobi, in die Marlies Familie sonntags geht. Kirche in Kenia ist ein Thema für sich. In der Predigt wurden menschliche Königreiche mit dem Königreich Gottes verglichen und festgestellt, dass doch die bisherigen Königreiche auf Erden eher zur Vergrößerung der Kluft zwischen Arm und Reich geführt haben.
So wohl auch in Kenia:
Anschließend sind wir nach Limuru ins umliegende Hochland gefahren. Dort steht etwas abgelegen das Kinderheim "The Nest" (s. früheren Bericht). Marlies Mutter organisiert das Heim. Es liegt ca. 40 min abseits von Nairobi. Die Straße dorthin ist verhältnismaßig gut, d.h. der erste Teil. Dieser ist asphaltiert und ohne wesentliche Schlaglöcher. Um zum Nest zu kommen, muss man allerdings das letzte Stück auf einer kleinen unbefestigten Straße aus Erde und Schutt fahren. Nach starken Regenfällen ist hier das Durchkommen schwer. Man kommt an kleinen Häusern mit Wellblechdächern von armen Menschen vorbei, doch wird man zeitweise mit einem Blick ins angrenzende Tal belohnt. Dort sieht man vereinzelt Häuser mit Teefeldern rundherum. Von den Unruhen ist hier auf den ersten Blick kaum etwas zu spüren und doch hat sich hier in Limuru einiges verändert.
Limuru ist Kikuyu-Land. Hier machen sie einen noch größeren Anteil aus als in Nairobi (auch Kikuyu-Land), wo sich eine große internationale Gesellschaft gebildet hat. Hier in Limuru sind inzwischen alle Luos geflüchtet. Sie wurden vertrieben. Seit Jahren war unterschwellig eine Abneigung gegenüber Luos und anderen Stämmen festgestellt worden und nun wurde dieser Abneigung Luft gemacht. So nah an der Großstadt Nairobi, in dem das Hauptquartier der UNEP steht und auch andere UN-Organisationen einen großen Standpunkt haben!
In Limuru steht eine Schuhfabrik, Bata. Hier wurden in der Vergangenheit auch viele Luos beschäftigt. Da diese jetzt alle vertrieben (!) wurden, sind mehrere Arbeitsstellen frei und Kikuyu kämpften und lagerten vor den Toren der Fabrik, um eine der freigewordenen Stellen zu ergattern.
Im Nest angekommen sieht man Kinder mit einer Betreuerin, die Bohnen auslesen, andere toben im Haus, die Kleinen sind bereit für den Mittagsschlaf. Hier ist wenig von den Unruhen zu spüren. Nur die Krankenschwester, die sonst da ist, ist Luo und wollte in den Westen Kenias flüchten, kam nicht weiter und hat schließlich Unterschlupf in Nairobi gefunden. Diesmal begrüßt mich eine andere Krankenschwester. Kuna Mgonjwa? Gibt es Kranke? Nach ein paar Minuten warten vor der Officetür ein paar Kinder auf ihre Behandlung. Ein Kind bricht seit einer Woche und hatte es niemandem erzählt, ein anderes hat seit 3 Monaten eine laufende Nase und die bisherigen Medikamente haben nicht geholfen, eine andere hat eine Mandelenzündung... Das Nest hat eine Auswahl an Medikamenten, so dass zumindest die Behandlung mit diesen Medikamenten versucht werden kann. An Untersuchungsgerät blieb mir nur das mitgebrachte Stethoskop und Otoskop.

Zum Abschied gabs noch Kuchen, der vom Gottesdienst übrig geblieben war. Das nächste Ziel war ein ungewöhnliches. Ein Flüchtlingslager in dem Land, dass ich bisher von einer ganz anderen Seite kennengelernt habe. Ein Nestangestellter begleitete uns. Grund für den Besuch war die Einschätzung der Lage und nach Möglichkeit zumindest einige Alte und Junge aus dem Lager vorübergehend im Kinderheim oder im "Halfway-House" unterzubringen.
Es liegt nicht weit entfernt von dem Kinderheim. Aus der Entfernung sah man große Menschenmassen, die sich auf dem angrenzenden Fußballplatz aufhielten. Ein buntes Bild, nicht allein wegen der farbenfrohen Kleidung. Wir stellten unser Auto vor dem Eingang neben vielen anderen ab, und passierten das Tor auf das Gelände. Viele gingen ein und aus. Es kommt ein Geruch nach Fäkalien auf, da angrenzend wohl die Toilettenhäuser aus Holz stehen. Rote-Kreuz-Mitarbeiter kamen ins Blickfeld, die durch ihren auffälligen Überwurf herausstachen. Etwas entfernt vom Eingang sprach ein Mann auf eine mit Abstand umherstehende Menge ein. Vermutlich ein Prediger, der Gott um bessere Zeiten bittet. So viele Menschen stehen umher und hören zu. Ihre Mimik verrät zum Teil was sie durchgemacht haben. Sie haben ihr Hab und Gut, ihr Haus, ihr Land und ihre Heimat verloren. Sie fangen alle bei 0 an.
Wir gehen am Kreis entlang und betreten ein größeres Haus, in dem sich unter anderem das Office des Obersten befindet. Wir werden vorstellig und berichten von unserem Anliegen. Wie es in Kenia so ist, so verhalten sich Vorgesetzte auf eine bestimmte Art und Weise. Es muss in dem Gespräch deutlich werden, dass alles von ihnen abhängt und nur aufgrund ihrer Zustimmung überhaupt etwas passiert. Auch wenn es nur um Kleinigkeiten geht. So werden wohl auch noch einige Tage vergehen, bis zumindest ein paar weniger Leute auf diesem engen Raum leben werden.
Ein Blick in den Nachbarraum verrät wie die Menschen zur Zeit leben. Ein großer Raum, in dem am Rand etliche Matratzen lagern und Reste von ihrem Hab und Gut, was sie noch in letzter Sekunde mitnehmen konnten. Schränke, Kommoden, Stühle... Einige stehen in der Tür oder sitzen auf abgelegten Matratzen. Sie warten. Sie warten auf unbestimmte Zeit und auf eine unbekannte Zukunft.
Wir gehen auf die andere Seite des Geländes und suchen die medizinische Leitung. Andere Häuser grenzen an und bieten wenigstens zur Nacht ein Dach über dem Kopf. In anderen Ecken sind Zelte aufgeschlagen.
Personal von Ärzte ohne Grenzen kommt regelmäßig, um Kranke zu versorgen. Verletzte waren zu dieser Zeit für mich nicht sichtbar. Der Nestangestellte erzählt, dass einige Menschen aus der Umgebung die Möglichkeit der kostenlosen Versorgung auch nutzen und dadurch sich tagsüber noch mehr Menschen im Lager aufhalten.
Zurück zum Auto. Zu begreifen, was ein Flüchtlingslager in diesem Land bedeutet, ist schwierig. Wir fahren weiter in ein anderes Lager im Nachbarort. Ein Luo-Camp. Grund genug für den Kikuyu-Nestangestellten nicht mitzukommen. 'Sie hätten angefangen!' So ein Satz ist schwer zu verdauen. Wie tief doch das Volksgruppendenken sitzt!
Wir fahren ohne ihn. Das Luo-Camp liegt auf dem Gelände einer Polizeistation, weil sie sonst keine sichere Stelle gefunden haben. Rechts vom Eingang stapeln alle möglichen Gegenstände, deren Besitzer es doch noch geschafft haben, sie mitzunehmen. Wie auch im anderen Lager, doch hier stapeln sie meterhoch. Darunter auch Säcke voll mit Kleidern.
Links ein Zelt bis oben hin mit großen Säcken voll Lebensmittel von Hilfsorganisationen. Dahinter ein Riesensack mit Trinkwasser. 10.000l. Daran scheint es nicht zu mangeln. Rechts hinter dem Polizeistationshaus eine Bühne mit Musikanlage und Prediger. Es ist Sonntag. Vor der Bühne eine große singende Menschenmenge und dazwischen ein Weißer mit gestrecktem Arm und Videokamera in der Hand. Die Menschen scheinen glücklich zu sein. Links ein Platz an dem Männer Brennholz mit der Axt machen. Mit etwas Glück konnten wir der Axt ausweichen und kamen zu den Kochstellen. Riesige Töpfe aus Aluminium stehen auf offener Flamme. Rundherum stehen Zelte von UNHCR oder auch mit einem Aufdruck der iranischen Botschaft (ich weiß nicht, wie die hierher kommen). Zwischen den Zelten stehen wieder mitgebrachte Möbel. Hier kommen wir mit einer Rote-Kreuz-Mitarbeiterin ins Gespräch. Zu unserer Bewunderung ist sie Kikuyu und hilft "trotzdem" im Luo-Lager mit. Sie wird sich melden und dann ein Fahrzeug losschicken, um einige Alte ins Halfway-House zu bringen. Während des Gesprächs wuseln vier Kinder um uns herum und sagen "Mzungu" wie es vor allem auf dem Land üblich ist. Mzungu wird für Weiße verwendet, auch wenn die Bedeutung sich nicht unbedingt auf die Farbe bezieht (später mehr dazu). Marlies unterhält sich mit ihnen auf Suaheli. Sie freuen sich und lachen. Ihnen ist nicht anzumerken, was sie in den letzten Wochen an Leid durchgemacht haben. Vielleicht hatten sie auch Glück und ihrer Familie ist keine Gewalt widerfahren.
Nach dieser Erfahrung hab ich im Internet Bilder von den blutigen Unruhen gesehen. Schreckliche Bilder, die einem so nah gehen. Ein Bild zeigt in einem kleinen Haus ein weinendes Kind auf einem Stuhl sitzend. Links davon ein leeres Bett. Und vor dem Stuhl liegt die Mutter des Kindes - erschlagen durch Macheten.
Dieses weinende Kind hätte eins der lachenden Kinder im Flüchtlingslager sein können. Unbegreiflich...