Samstag, September 02, 2006

die ersten zwei Tage im Krankenhaus

Nun sind wir die ersten drei Tage im Krankenhaus gewesen und schon die haben viele Erlebnisse mit sich gebracht. Mittwochmorgen haben wir uns beim Elective coordinator eingefunden, der uns alle drei, Malte, Nadine und mich, auf eine General Surgery Station eingeteilt hat. Nach der ersten Woche werden wir uns auf drei General Surgery Stationen aufteilen. Wir haben mit ihm vereinbart, alle vier Wochen die Unit zu wechseln. Hier gehören z.B. die Anästhesie, HNO, Kinderchirurgie und Notaufnahme netterweise auch zur Chirurgie.
Wir begaben uns auf die 5A und stellten uns der Pflegeleitung und dem anwesenden Senior Clinical Officer (SCO) vor. Er zeigte uns die Station und führte zusammen mit drei Interns eine Visite durch. Leider konnte ich aufgrund der kenianischen Englischaussprache und meiner schlechten Vokabelkenntnis nicht alles verstehen, aber immerhin vergleichbar viel wie die anderen.
Wie uns schon der Coordinator angekündigt hatte, wird es hier anders aussehen als in Deutschland, da die Patienten bis zum letzten Augenblick warten bis sie ins Krankenhaus gehen. Entzündete Blinddärme sind in aller Regel geplatzt oder auch Typhus wird solange durchgemacht, bis die Patienten abgemagert sind und die Erkrankung durch eine Darmperforation und damit durch eine Peritonitis kompliziert wird. Hinzukommt, dass das Krankenhaus so überlaufen ist, dass es seine Zeit dauert bis die Patienten in den OP kommen.

Mittwoch: Darauf vorbereitet, kommen wir auf die Station mit jeweils drei geschlechtergetrennten Krankenzimmern und jeweils ungefähr 8 Krankenbetten. Die Kranken liegen gekrümmt oder auch trotz starker Schmerzen tapfer in ihren Betten und warteten darauf, dass das Schicksal sie wieder gesund mache. Sie haben hellblaue krankenhauseigene Klamotten an, die durch ihre KNH-Aufdrucke (Kenyatta National Hospital) an Sträflingskleidung aus Gefängnissen erinnern. Die einmal weiß lackierten Metallbetten, zeigen ein weiß-schwarzes Muster. Teilweise ohne Bettlaken liegen die Patienten direkt auf den Plastikmatratzen und decken sich mit unbezogenen Decken zu. Hier und da hängen Drainagen und Katheter aus den Betten mit Inhalten, die ich in Deutschland noch nicht zu Gesicht bekommen habe.
Neben den Infektionskrankheiten sind auch viele Kopfverletzungen dabei, durch Gewalttaten oder auch Matatuunglücke. Ein junger Patient hat eine schwere Kopfverletzung und ist wohl seitdem nicht bei vollem Bewusstsein. Er wird mit Tüchern an das Bett festgebunden, damit er nicht rausfällt oder sich nichts antut. Heute hat er bisher ohne klare Ursache eine massiv geschwollene rechte Hand mit prallen Blasen auf Handinnen- und –außenfläche entwickelt. Der SCO weiß sich nicht zu helfen, tippt auf ein drohendes Kompartementsyndrom und verdächtigt die Einnahme des in Deutschland nicht mehr zugelassenen Antibiotikums Chloramphrenicol als Ursache dieser Erscheinung.
Im Frauenzimmer liegt ein junges hübsches Mädchen, die nach fünftägiger starker generalisierter abdomineller Schmerzen, Erbrechen und Verstopfung operiert wurde. Bei der OP entfernte man zwei Liter Eiter. Die Ursache für diese starke Entzündung wird mit einer perforierten Appendizitis erklärt, obwohl diese vermutlich aufgrund des fortgeschrittenen Prozesses nicht mehr zu finden war. Heute ist ihr fünfter Post-OP-Tag. Aus der einen Drainage kommt immer noch Eiter. Die andere war von irgendjemanden einfach abgeschnitten worden, so dass nur noch ein am Ende offener Schlauch aus dem Bauch schaut. Diese wird nun umgehend vollständig entfernt. Eine Lavage ist erschwert durchzuführen, wenn nur noch eine Drainage liegt. Was nun mit ihr passieren soll, ist für mich unklar geblieben.
Einige Patienten haben auch Tumoren jeglicher Art. Ein unklarer Beckentumor, Brustkrebs und erstaunlich junge Patienten mit Darmkrebs. Auf die Frage, ob das hier normal sei, dass so viele junge Patienten Darmkrebs bekommen, antwortet der SCO, dass es in den letzten Jahren vermehrt aufgetreten ist und die Ursache hierfür bisher nicht gefunden wurde.
Auch ein 13jähriges Kind liegt auf dieser Station, da hier nur Patienten bis 12 Jahren auf einer pädiatrischen Station landen. Der Junge hatte im linken oberen Brustkorbbereich ein großes Fibroadenom, das nun zum ersten Mal revidiert wurde.
Donnerstag: Heute gehen wir auf derselben Station mit dem Chefarzt die Runde in Begleitung von weiteren 20 Studenten. Es ist ein Kunststück akustisch überhaupt etwas mitzunehmen. Nach einigen Betten gehe ich zur Taktik über, mich einfach schon an das nächste Bett zu stellen, um eine bessere Ausgangsposition zu haben. Es hat tatsächlich geklappt.
Nachmittags ist die Grandround, die einmal die Woche stattfindet. Dort werden Fälle zu einem bestimmten Thema vorgestellt und dann die theoretischen Hintergründe referiert. Dieses Mal ist Penisbruch das Thema. Es werden zwei Fälle vorgestellt, wobei sich im Nachhinein herausgestellt hat, dass der eine vermutlich gar kein Penisbruch war und fehldiagnostiziert wurde. Es entspannen sich lustige Diskussionen, die ich hier nicht näher ausführen möchte…
Freitag: Heute ist OP-Tag. Da wir jetzt loswollen, vertage ich das mal…

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