Freitag, September 08, 2006

der erste OP-Tag

Jetzt ist es schon Donnerstag und ich habe soviel erlebt, dass ich wahrscheinlich nicht mehr dazukomme, darüber zu berichten. Ich bin euch noch einen Bericht vom ersten OP-Tag am letzten Freitag schuldig:
Freitag, 1.9.2006:
Um sieben klingelt der Handywecker. In den Swimmingpool haben wir es vor dem Aufbruch ins Krankenhaus nicht mehr geschafft. Der öffnet erst um acht und ist morgens wie abends bei den milden Temperaturen in Nairobi sehr erfrischend kalt. Wir sind meist die einzigen, die sich dort hineintrauen. Viele Afrikaner können nicht schwimmen. Ein Grund könnte sein, dass die Mehrzahl der Seen in Kenia ist mit Bilharziose verseucht, und der Indische Ozean ist weit weg.
Nun denn, wir machten uns auf den Weg ins Krankenhaus. 20 Minuten Fußmarsch, da es leider keine direkte Matatuverbindung gibt. Die ersten Tage haben wir auf Grund eines kleinen Umwegs noch etwas länger gebraucht. Der Weg führt an Straßen vorbei, die nicht zu stark befahren werden, doch um die Luft durch tiefschwarze Abgase zu verpesten, bedarf es nur einer einzigen Drecksschleuder. Mit der Zeit gewöhnt man sich an alles, auch daran, dass man bei Anblick einer herannahenden Abgaswolke nicht vor Schreck die Luft anhalten, sondern eher umgekehrt tief einatmen sollte und sich erst beim sichtbaren Erreichen der eigenen Nase, dem Atemzentrum entgegen stellt.
Nadine und ich gehen in die verschiedenen Umkleideräume der OPs, nicht zu vergleichen mit den deutschen. Auf der Erde liegen gebrauchte Mundschutze und Hauben herum, einzelne blutverschmierte Gummistiefel. Auf der Toilette gibt es keine Seife, kein Klopapier. Viele abschließbare Schränke, wo leider überall Vorhängeschlösser den Zugang versperren. Da ich eigene OP-Kleider aus Deutschland mitgebracht habe, fiel die Suche nach diesen weg. Das wäre auch nicht einfach gewesen und mit Wartezeit verbunden. Wapi ni (Wo sind) Schuhe, Haube, Mundschutz? Nach einer Befragung von Passanten werden mir sogar Schuhe aus einem abgeschlossenen Schrank übergeben, aber nur mit dem Versprechen, dass ich sie auch wieder zurückgebe. Ich solle sie nach meinem Tag hinter den Schrank stellen. Meine anderen Schuhe verbarrikadiere ich in einer Schublade, meine restlichen Sachen nehme ich mit. Einen Stock höher erreiche ich den Flur zu den OPs. An der Rezeption erhalte ich eine Haube. Viel zu klein, aber es war die für Männer und die haben hier alle kurzgeschorene Haare.
Wir sind, wie es sich als Deutscher gehört, pünktlich im OP-Saal eingetroffen. Leider ist dort um Viertel nach Acht noch gähnende Leere. Im Vorraum steht allerdings schon eine Horde Zahnmedizinstudenten. Ca. 20. Um neun trifft unser Chief Consultant (Chefarzt) ein und hat uns eine Stunde zu unterschiedlichen Nahtmaterialien, jegliche Verwendung von Ethanol, Methylenblau, Lidocain, Adrenalin, Cortison abgefragt. An dem Fragestil merkt man, dass hier der Unterricht eine andere Gestalt annimmt. Die Antwort gestaltet sich meist als eine Aufzählung von Dingen.
Die erste Patientin wird in den OP gefahren. Alle Studenten drängen hinein und stehen um die OP-Liege herum. Der OP-Saal ist voll und die Patientin wach. Nach einiger Zeit gehen wir wieder in den Vorraum. Der Chefarzt erklärt, dass wir zu viele sind und daher die Studenten nicht an der OP teilnehmen können. Wir besprechen noch einige theoretische Dinge und anschließend endete der Unterricht. Wir PJler dürfen bei den nächsten OPs teilnehmen. Die erste OP ist ungeplant und bereits vorbei, so dass wir noch einige Zeit warten auf die nächste. Eine laparoskopische Appendektomie. Nadine wird als Frau der Vortritt gegeben für die Assistenz bei dieser OP. Der Patient wird hereingefahren, eingeschläfert. Der erste Trokar wird installiert. Nun soll der Bauch mit Gas gefüllt werden. Nach einigen Anläufen funktioniert es. Die Kamera- und Instrumentenzugänge für die Laparoskopie am Bauch des Patienten gelegt. Auf den Bildschirmen sieht man bisher nur ein blaues Bild. Nach einigen Versuchen erscheint das Kamerabild. Der Chefarzt ist unzufrieden mit der Helligkeit der Kamera. Der Springer im OP versucht einiges zu verstellen. Auch ich springe umher und versuche mein Glück, aber es hilft nichts. Die Helligkeit wurde von irgendeinem Apparat heruntergeregelt, und der Bildschirm zeigte nur einen kleinen Bereich hell an. Der Chefarzt verliert die Geduld, legt das Skalpell beiseite und verlässt wütend den Raum. Nun standen Nadine und der Assistent alleine dort und schlossen die kleinen Wunden. Anschließend wurde der Appendix auf natürliche Weise entfernt. Die Gallenblase, die auch anschließend laparoskopisch entfernt werden soll, wird abgeblasen. Ich verstaute die OP-Schuhe hinter dem Schrank und machte mich auf den Weg zum Lunch. Inzwischen war es halb zwei.

Keine Kommentare: